Die Entscheidung, welche neuen Produkte im Rahmen der Digitalen Transformation entwickelt, welche Technologien eingeführt, Stellenprofile geschaffen und Organisationsanpassungen vorgenommen werden, fällen die Führungsgremien von Unternehmen und ihre Chief Digital Officer (CDO). „CDO“ ist dabei die herkömmliche Bezeichnung für den Digitalverantwortlichen eines Unternehmens. Andere Berufsbezeichnungen für dieselbe Tätigkeit sind, je nach hierarchischer Verankerung der Position, „Digitalvorstand“ bzw. „Vorstand Digital“ oder „Vice President Digital Transformation“.
Im Geschäftsalltag spricht man auch vom „Digitalchef“ oder „obersten Digitalisierer“ eines Unternehmens. Wie auch immer die Bezeichnung jedoch im Detail lautet: Der CDO ist in jedem Fall in der Führungsebene eines Unternehmens angesiedelt und widmet sich dort der Planung und Steuerung der Digitalen Transformation.
Insbesondere große Unternehmen mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz und den entsprechenden Strukturen und Mitarbeiterzahlen sind komplexe Organisationen. Sie ähneln großen Tankern: Sie lassen sich nur mit großen Anstrengungen und langsam in eine neue Richtung lenken. Eine solche Mammutaufgabe ist nicht von einem Vorstandsmitglied neben seinem Tagesgeschäft zu erledigen. Um das enorme Potential der Digitalen Transformation für jedes Unternehmen zu heben, bietet sich in größeren Unternehmen eine eigene Vorstandsrolle an: der Chief Digital Officer.
In vielen Fällen ist der CDO wie die anderen Rollen des C-Level (CFO, CIO, CTO, CMO) ein gleichberechtigtes Vorstandsmitglied. Diese herausgehobene Position als „Digitalvorstand“ ist wichtig, denn ohne den nötigen Durchgriff auf das ganze Unternehmen wird die Digitale Transformation sicher nicht erfolgreich sein.
Zu den Aufgaben des Digitalchefs gehören die Entwicklung einer passenden Digitalisierungsstrategie für das Unternehmen und deren Umsetzung in den bereits bestehenden Strukturen der Organisation. Meist entwickelt der Chief Digital Officer auch neue Geschäftsmodelle und treibt als „Evangelist“ die Digitale Transformation in der gesamten Organisation voran. Er soll die Digitale Transformation möglich machen.
Bei ihrer Arbeit müssen die Digitalverantwortlichen letztlich also immer zwei Fragen im Blick behalten: Welche Auswirkungen hat die Digitale Transformation auf die eigene Organisation? Und welche digitalen Produkte und Services verlangt oder ermöglicht der Markt, die das eigene Geschäft auch in Zukunft erfolgreich machen?
Aus dieser zweigliedrigen Aufgabenstellung folgen eine Reihe von Teilaufgaben, die der CDO im Grunde parallel abwickeln muss:
Je nach dem Transformationsdruck eines Unternehmens werden CDOs mit den passenden Fähigkeiten und Neigungen gesucht. Dementsprechend stark unterscheiden sich die jeweiligen Bestandteile der CDO-Rolle. Unternehmen, die zunächst die Grundlage schaffen müssen, um Prozesse überhaupt digital aufzusetzen, favorisieren eher einen technisch geprägten CDO (der vielleicht vorher als CIO tätig war). Unternehmen mit einem starken Drang, die größten Werthebel am Markt zu betätigen, werden auf einen Digitalchef setzen, der operativ stärker eingebunden ist und womöglich sogar ein Branchenkenner ist.
Der CDO erfüllt als Digitalchef eine wichtige Rolle innerhalb der Führungsmannschaft eines Unternehmens, die sich von der des CIO (Chief Information Officer) genauso unterscheidet wie von der des CEO (Chief Executive Officer) – auch wenn nicht wenige CDOs nebenbei noch für andere Vorstandsbereiche (vor allem die IT) verantwortlich sind.
Der Hauptunterschied zum CIO ist, dass Informationstechnologie nur einen kleinen Teil des Aufgabenspektrums des CDO ausmacht – den Teil, den er im Idealfall eben in Zusammenarbeit mit dem Kollegen erledigt, bei dem auch die eigentliche Verantwortung für IT-Strategie und -Architektur verbleibt. Als Querschnittsfunktion arbeitet der CDO an der IT-Strategie allerdings mit und beeinflusst durch seine Anforderungen an die Digitalisierung die IT-Infrastruktur eines Unternehmens.
Daneben unterstützt er den CEO bei der Formulierung der übergeordneten Unternehmensstrategie und sorgt für die Berücksichtigung der Digitalen Transformation des Unternehmens. Er ist Berater des Vorstandsvorsitzenden für Digitalthemen und trägt zur passenden Richtungsentscheidung der Digitalen Transformation bei.
Anders als traditionell klar abgegrenzte Rollen im C-Level wie CFO, COO oder CIO übernimmt der Digitalchef meist eine Querschnittsrolle. Er muss notwendigerweise in alle anderen Bereiche steuernd eingreifen können. Zudem fungiert er als eine Art „Mediator“ zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen und harmonisiert unterschiedliche Ansätze und Vorhaben der Digitalisierung in einer Organisation. Das ist durchaus ein konfliktträchtiges Terrain, denn auf der einen Seite bedrängt ein Digitalchef bestehende Verantwortlichkeiten und ihre „Erfolge“, auf der anderen Seite sind CDOs aber auch von dem Engagement und der Treiberqualität der anderen Führungsmitglieder abhängig.
Immer wieder heißt es, dass sich ein guter CDO letztlich überflüssig machen müsse. Das Argument: Im Idealfall sei das Unternehmen irgendwann „digitalisiert“ und hinreichend „gewandelt“, um auch ohne digitalen Evangelisten zu funktionieren. Der CDO dankt dann ab. Letztlich ist diese Sichtweise jedoch ein Relikt „alter Denkmuster“, basiert sie doch auf der Annahme, dass es sich um eine x-beliebige Transformation handele, nur dass diese eben digital und nicht elektrisch wäre. Doch das ist ein Irrtum. Die Geschwindigkeit wird weiter zunehmen, der Druck am Markt stärker werden, bis zu dem Punkt, an dem eine neue Transformation kommt, die wieder neue Akteure und wieder neue Geschäftsmodelle mit sich bringt. Diese einzelnen Transformationsprozesse könnten sich in Drei-Jahres-Etappen aneinanderreihen – und die daraus folgenden Veränderungen sollte der Digitalchef steuern.
Gelegentlich gibt es Stellenausschreibungen für die CDO-Rolle, doch digital kompetente Führungskräfte werden meist nicht auf herkömmlichen Wegen gefunden. Denn es gibt für einen Digitalchef keine Standardaus- oder -weiterbildung und schon gar kein Studium. Es gibt allerdings eine Reihe von Kriterien, die für die Eignung als CDO sprechen:
Junge Digitalunternehmen zeichnen sich durch flexible Arbeitszeiten und flache Hierarchien aus. Traditionelle Unternehmen dagegen legen eher Wert auf festgelegte Arbeitsstrukturen, Entscheidungswege und Rollenverteilungen. Damit hier nicht zwei Welten aufeinanderprallen und der CDO bereits nach kurzer Zeit scheitert, sollte er idealerweise in beiden Welten zu Hause sein – zum Beispiel, weil er sowohl in Start-ups und Internetunternehmen als auch in Traditionsunternehmen Erfahrungen gesammelt hat.
Als Querschnittsfunktion benötigt der Kandidat für den Chief Digital Officer technisches Verständnis, Einblick in modernste Informations- und Digitaltechnologie, Erfahrungen in Onlinemarketing, E-Commerce und datenbasierten Geschäftsmodellen sowie nicht zuletzt Domänenwissen in den Hauptgeschäftsfeldern seines Unternehmens. Kurzum: Er ist ein Allrounder und Generalist mit Spezialgebiet Digitalisierung. Je breiter aufgestellt der Kandidat, desto besser.
Jeder CDO wird in einem Unternehmen zunächst einmal über einen recht langen Zeitraum als Evangelist der Digitalisierung auftreten müssen. Selbst wenn der CEO vollständig hinter dem neuen Kollegen steht, wird dieser im Detail viel Überzeugungsarbeit leisten müssen: bei der Unternehmensleitung, auf den unterschiedlichen Managementebenen und nicht zuletzt bei den „normalen“ Mitarbeitern, die unter „Digitalisierung“ häufig Automatisierung und Jobverlust verstehen.
Die CDO-Funktion ist keine Position, die Manager über eine klassische, geradlinige Karriere erreichen. Es sind durchaus flexible Leute gefragt, die mitunter berufliche Umwege gegangen sind, gelegentlich Branche und Schwerpunkt gewechselt und dabei stetig neue Impulse und Fähigkeiten übernommen haben. Das kann auch bedeuten, dass ein guter Digitalchef eine lange Unternehmenszugehörigkeit vorweist – oder bislang nicht einmal in der Nähe der jeweiligen Branche unterwegs war.
Foto: gorodenkoff/iStock/Getty Images
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