Im Zuge der Digitalen Transformation wird dem Konzept der zweiseitigen Märkte oder Two-sided Markets eine hohe Aufmerksamkeit zuteil. Das Internet und andere digitale Technologien ermöglichen Two-sided Markets ein enormes Wachstum und einen größeren Anwendungsbereich in ganz unterschiedlichen Branchen, da hier in vielen Fällen die Transaktionskosten gegen null gehen und die Nutzung des zweiseitigen Marktes erleichtern.
Eine gängige Definition von Two-sided Markets lautet: Ein zweiseitiger Markt findet auf einer Plattform statt, die von einem Unternehmen (Betreiber) angeboten wird. Auf ihr kommen zwei deutlich unterscheidbare Nutzergruppen zusammen, etwa Anbieter und Nachfrager bestimmter Produkte und Dienstleistungen.
Dieses Prinzip ist auch aus vordigitalen Zeiten bekannt: „Analoge“ Two-sided Markets waren die Tageszeitungen, die Leser und Anzeigenkunden zusammenbrachten. Typisch für solche zweiseitigen Märkte ist die Steigerung des Vorteils für alle Marktteilnehmer durch eine hohe Nutzerzahl: Viele Leser bringen mehr Nutzen für jeden einzelnen Anzeigenkunden, viele Anzeigenkunden bieten den Lesern mehr Auswahl und Information (z.B. im Stellenmarkt oder bei Gebrauchtwagen). Zudem ermöglichen die Erlöse von vielen Lesern und Anzeigenkunden weitere Investitionen in die Attraktivität der Tageszeitung, die letztendlich weitere Leser anzieht.
Die Two-sided Markets der Gegenwart sind in aller Regel digitale Plattformen. Sie sind das häufigste digitale Geschäftsmodell und bilden eine eigene Plattformökonomie. Ein gutes Beispiel für einen zweiseitigen digitalen Markt ist der „Amazon Marketplace“. Er erlaubt es Händlern, ihre Produkte weltweit anzubieten, und Konsumenten, weltweit nach Produkten zu suchen. Andere Plattformen beschäftigen sich mit der Vermittlung von digitalen Produkten und Dienstleistungen, etwa Software oder Entwicklerkapazitäten.
Für einen Chief Digital Officer (CDO) stellt sich hier eine wichtige Frage: Soll sein Unternehmen an einem zweiseitigen Markt teilnehmen? Und wenn, in welcher Rolle? Immerhin können Unternehmen in Two-sided Markets in drei Rollen auftreten: als Nachfrager, als Anbieter und als Betreiber.
Die Beschaffung in Unternehmen wird durch digitalisierte, zweiseitige Märkte erleichtert. Die höhere Preistransparenz kann dazu führen, dass die Kosten im Einkauf sinken. Darüber hinaus automatisieren digitale Plattformen den Einkauf. Dies gilt auch für Dienstleistungen, digitale Produkte (Software) und digitale Services wie Entwicklerkapazitäten. So gibt es etwa spezielle Freelancer-Plattformen, die Nachfrager die Suche nach passenden IT-Experten erleichtern.
Hersteller können durch die geringen Eintrittsbarrieren eines digitalen Two-sided Market auf die bisherigen Intermediäre verzichten. Angeboten werden können sowohl Produkte (Waren) als auch Dienstleistungen. Vor allem für bislang eher regional ausgerichtete kleine bis mittelgroße Unternehmen bieten zweiseitige Märkte als eine Sonderform des E-Commerce neue Chancen. Sie finden dadurch neue Abnehmer und können unter Umständen ihre Umsätze deutlich steigern.
In der Plattformökonomie erzeugen die Betreiber einer Plattform eigene Umsätze durch das Erheben von Gebühren. Durch die weltweit mögliche Skalierung der Nutzerzahl können diese Umsätze selbst bei geringen Gebühren schnell wachsen. Die Rolle des Betreibers ist also sehr attraktiv. Sie erfordert jedoch IT-Know-how und erhebliche IT-Ressourcen sowie eine ausgefeilte Strategie, um eine attraktive Plattform bereitzustellen, ständig weiterzuentwickeln und auch bei rasch steigenden Nutzerzahlen zuverlässig zu betreiben.
Für Betreiber haben Two-sided Markets eine Reihe von Vor- und Nachteilen:
Welche der verschiedenen Optionen ein CDO für sein Unternehmen auswählt, hängt unter anderem von der Größe des Unternehmens ab. Die Rolle als Nachfrager oder Anbieter ist sicher für die meisten Unternehmen erreichbar. Doch lediglich größere Unternehmen werden eine Plattform als zweiseitigen Markt betreiben können – die Investitionen sind nicht zu unterschätzen.
Bei zweiseitigen Märkten, die keine monopolartigen Betreiberstrukturen besitzen, ist das sogenannte Multihoming üblich. Der Nachfrager oder Anbieter einer bestimmten Leistung kann an mehreren Two-sided Markets teilnehmen. Der Nachfrager erreicht hierdurch eine größere Preistransparenz als nur bei einem einzelnen Markt. Der Anbieter hat Zugriff auf eine potentiell größere Benutzergruppe, da sicher nicht alle Nachfrager Multihoming betreiben.
Vor allem bei digitalen Plattformen ist das Multihoming in Two-sided Markets sehr einfach. Die Anmeldung auf der jeweiligen Plattform geht meist sehr schnell. Doch genau diese Einfachheit befördert die Bildung von Quasimonopolen. Bereits kleine Vorteile für Nutzergruppen können zu einer „Abstimmung mit der Maus“ führen, die durch Netzwerkeffekte weitere Anbieter und Nachfrager anlockt, so dass in den meisten Fällen die Tendenz zu einem „Winner takes all“-Monopol eigentlich nur eine Frage der Zeit ist.
Foto: marchmeena29/iStock/Getty Images
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